RE: w00t?!

Im Sumpf des Verbrechens

Als Mafioso hat man es nicht leicht. Befindet man sich am Ende der Rangliste des hiesigen Familienunternehmens, (ohne genetische Verwandtschaft) besteht der Tagesinhalt aus: Leute kloppen, Drogen verticken, Botenjobs und anderen Drecksarbeiten, die weder Spaß machen noch gesellschaftliche Anerkennung finden. Hat man es an die Spitze der Organisation geschafft, sieht das Ganze schon besser aus, allerdings nicht sonderlich rosiger. Im schlimmsten Fall bekommt man die Führung einer stiefelförmigen europäischen Nation zugeschustert und muss sich fortan mit der Müllbeseitigung auf Sizilien und anderen lästigen Aufgaben auseinandersetzen. Wie man es auch dreht und wendet, Verbrechen lohnt nicht wirklich. In virtueller Form sieht das jedoch ein wenig anders aus.

Willkommen in Empire Bay

Ich mache es kurz und schmerzlos...Die Story sowie die Art, in der sie präsentiert wird, ist das Aushängeschild des Spiels und definitiv der Kaufgrund für all jene, die auf spannende Geschichten stehen. Hier macht den Jungs von 2K Czech so schnell keiner was vor und wenn man bedenkt, wie lahm und abgedroschen die meisten Games verpackt werden, ist Mafia 2 ein wahrhaftiger Phönix aus der Asche. Die Charaktere vor allem Spielcharakter Vito und Kumpel Joe kommen nicht nur als phrasendreschende schnöde Polygonpappaufsteller daher, sondern besitzen Tiefgang und wissen eine Story zu schultern, die kaum bis gar keine erzählerischen Lücken vorzuweisen hat. Einzig das Ende enttäuscht und riecht gewaltig nach DLC oder einer Fortsetzung. Das ist aufgrund der restlichen Inszenierung zwar zu verkraften, aber dennoch ärgerlich. Auch die ein oder andere Schwarzblende (aufgrund von Ladezeiten) wirkt sich dezent nervig auf die ansonsten dichte Atmosphäre aus. Doch das sind lediglich Randnotizen, die kaum relevanten Einfluss auf den Rest der kompakt präsentierten Story nehmen.

Doch worum geht’s eigentlich? Der Spieler schlüpft in die virtuelle Haut des bereits erwähnten Vito Scaletta, welcher gerade aus Italien – aufgrund einer Kriegsverletzung – zurück nach Empire Bay gekommen ist, um seiner Familie einen Besuch abzustatten. Glücklicherweise trifft er auf seine alten Freund Joe, der seine Kontakte spielen lässt, um Vito fortan und gänzlich vom Militärdienst zu befreien. So weit so gut. Doch es gibt einen Hacken. Vitos Vater hat seinen Angehörigen einen gewaltigen Schuldenberg, in Höhe von 2000 Dollar, hinterlassen welcher mit ehrlicher Hafenarbeit kaum rückzahlbar ist.
Die Lösung für diesen unerfreulichen Umstand findet Vito mal wieder in Form seiner Freundes Joe. Der hat während Vitos weltkriegerischen Treibens einige Bekanntschaften in zwielichtigen Kreisen gemacht und führt seinen Kumpel nun in jene ein. Im Laufe des Spiels steigen die Beiden immer mehr in der Gunst der Gaune, was letzten Endes dazu führt, dass Vito nicht nur im Knast landet sondern auch in den offenen Armen der Mafia...“Cut“...mehr sei an dieser Stelle mal nicht verraten...Nur so viel, das Spiel ist in den 1940er und 1950er Jahren angesiedelt. Empire Bay ist eigentlich New York und die deutsche Synchronisation kann sich durchaus hören lassen.

Optik ist alles...Akustik aber auch.

Was nützt die schönste Rahmenhandlung, wenn das Spiel aussieht wie Würfelhusten...Richtig NICHTS!... Doch auch in diesem Bereich lassen sich die Entwickler nicht lumpen. Mafia 2 ist ein Game auf der Höhe der Zeit, dass vor allem mit Detailverliebtheit bei Außen - und Innenarealen sowie bei der Gestaltung von Fahrzeug – und Charaktermodellen punktet. Ein großes Plus geht auch an die zerstörbare Umgebung, an das stimmige Beleuchtungssystem und an die netten Explosionseffekte. Bei der PS3 sowie der XBox Version bleiben allerdings keine Trümmer am Boden liegen. Ein Umstand, der nicht wirklich auffällt und ohnehin nur mit einem Hochleistungsrechner zu beheben ist. Weniger hübsch sind hingegen Bildzerreisser, kurze Ruckeleinlagen und Kantenflimmern, die den Gesamteindruck ein wenig mildern aber kaum Auswirkung auf den Spielspass haben.

In auditiver Hinsicht gibt es nichts zu meckern. Die deutsche und englische Vertonung ist fantastisch, die Effekte sind glaubwürdig und der Soundtrack einfach nur brillant. Wer ein bisschen tiefer in die Tasche greifen möchte, sollte sich für die Spezial Edition entscheiden. Hier gibt es den Radiosound auf CD dazugeliefert.

Kennen Sie einen Gewissen Tanner

Warte mal, das Game sieht super aus, hört sich klasse an und erzählt eine tolle Geschichte? Das klingt fast zu schön um wahr zu sein und tatsächlich gibt es ein kleines Problem, dass an der sonst großartigen Atmosphäre nagt. Während die Animationen in den Zwischensequenzen und bei gescripteten Einlagen durchaus dynamisch wirken, hat man im restlichen Spiel das Gefühl, ein Relikt aus grauer Vorzeit zu zocken. Vito ist steifer als steif und „Euphoria“ würde sich im Grabe winden ob der hirnlosen Passanten, die stellenweise minutenlang gegen Wände latschen. Auch das Fehlen einiger Bewegungsabläufe steht negativ zu Buche und es wirkt einfach albern, wenn Vito eine Hausklingel bedient, indem er starr vor der Tür steht oder einen galanten Sidestep aufs Parkett legt, um im richtigem Winkel zum Telefonhörer zu greifen.

Wohl gemerkt, diese Macken fallen während der Storymissionen nicht sonderlich auf, da gerade diese von vorne bis hinten durchgestylt sind. Aber abseits dieser Wege ist kopfschütteln angesagt...Wo wir bei einem weiteren Problem währen...
Mafia 2 ist ein gradliniger Action-Titel, welcher in einer offenen Spielwelt angesiedelt ist, die lediglich als Kulisse dient. Die Umgebung wirkt, bei genauer Betrachtung, wie ein Hollywood-Set aus Pappmasche, in welchem jedes Haus nur Fassade zu sein scheint. Das alles würde nicht weiter stören, aber den Entwicklern ist es leider nicht ganz gelungen, den Schein aufrecht zu erhalten. Verlässt man die vorgegebenen Pfade, offenbart das Spiel seine Macken all zu oft. Hält man sich jedoch an der Hand der Macher fest, bekommt man jede Menge Detailverliebtheit zu bestaunen.

Ich Interagiere

Eigentlich sollte den 2K Jungs selber aufgefallen sein, dass sie kein Sandkastenspiel geschaffen haben und dennoch wollte man nicht darauf verzichten, den Spieler mit der Stadt interagieren zu lassen. Diese Auseinandersetzungen fällen wie folgt aus:

1. Man kann sich neue Kleidung kaufen, um sich vor der Polizei zu tarnen, sollte man
identifiziert worden sein.
2. Man kann sein Fahrzeug tunen, um es in die eigene Garage zu stellen.
3. Man kann Lackierung und Nummernschilder ändern, um sich vor der Polizei zu tarnen
usw.
4..Man kann etwas essen, um die maximale Lebensenergie aufzufüllen
5. Man kann Waffen kaufen oder sie klauen (gilt auch für Kleidung)
6. Man kann Mist bauen und vor den Staatsdienern fliehen...siehe Erstens und Drittens
7. Man kann tanken...ist völlig nutzlos

Wie man es auch dreht und wendet. Die zusätzlichen Möglichkeiten diene kaum zur Langzeitmotivation und sind lediglich für manche storygebundenen Aufgaben relevant. Ob es nun nötig war, sie ins Spiel zu integrieren, sei dahingestellt, allerdings können sie sich der Kritik nicht entziehen, irgendwie aufgesetzt zu wirken.

Der Kern der Sache

Ok, lassen wir mal alle Ungereimtheiten im Abseits und kümmern uns um das restliche Gameplay. Das setzt sich im groben aus vier Elementen zusammen.

Element Nummer1...das Ballern
Feuergefechte machen den Hauptteil des Spiels aus und gehen dank eines gelungenen Deckungssystems sowie jeder Menge Argumentationsverstärkern gut von der Hand. Die KI geht in Ordnung ist allerdings nicht das Gelbe vom Ei. Es gibt einige unfaire Stellen, stimmige Skriptelemente und eine gehörige Portion Sachschaden zu bestaunen. Die Krux an der Sache ist der Schwierigkeitsgrad, man beist zwar (auf mittlerer Stufe) öfters in die Bodenbotanik, wirklich fordernd ist die Ballerei aber nicht.

Element Nummer2...Zünftige Fastkämpfe
Im Laufe der Story kommt es des Öfteren zum offenen Schlagabtausch zwischen Vito und einigen, die es nicht besser wissen. Die Boxereien sind alle samt schön in Szene gesetzt und finden zuweilen in spaßigen Umgebungen statt (Stichwort Gefängnisdusche)...Spielerisch wird leider wenig geboten. Man schlägt hart mit der Dreieckstaste, weniger hart mit Viereck, mit X weicht man aus und mit Kreis verspottet man sein Gegenüber. Das ganze ist so anspruchsvoll wie Atmen und irgendwie fehlt mir eine Taste um Verletzungen vorzutäuschen...immerhin ist Vito Italiener.

Element Nummer3...Auto fahren
Es gibt nur wenige Missionen, in denen man verfolgt wird oder Personen beschatten muss, ohne entdeckt zu werden. Die meisten Fahreinlagen dienen dem Transport von A nach B wobei sich einige dieser Wegbewältigungen ein wenig zu langatmig anfühlen. Richtiger Fahrspaß kommt eigentlich nur auf, wenn man sich mit der Polizei anlegt oder seinen Wagen aufgetunt hat. Ansonsten fällt auf, dass sich die Wagen alle sehr behäbig steuern lassen (was dem Realismus zugute kommt).

Element Nummer4...Schleichen
Die Leisetretereinlagen laufen in typischer Fisher- Sam- Manier ab und sind relativ spannend gestaltet. Wird man entdeckt, geht der Alarm los und die Schose somit von Vorne. Richtig witzig sind die Dialoge der ahnungslosen „Zu-Beschleichenden“...So stellt einer der Typen die These auf, dass es in Zukunft möglich sei, die Figur im TV zu steuern. Seine Kollegen stempeln ihn darauf hin als Spinner ab...“Als nächstes behauptest du noch, dass wir einen Menschen zum Mond schicken!“ ...Solche und andere Momente tragen auf fantastische Art und Weise zur Spannung bei, allerdings gibt es im Spiel (leider) nur wenig Infiltrationsmissionen.

Zusammenfassend muss man sagen, dass die einzelnen Elemente viel zu simpel ausfallen und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie einzig zum interaktiven Vorrantreiben der Story dienen. Wirklich gefordert wird man also nicht und trotzdem macht die Mischung Laune bzw. hält bei der Stange. Dennoch muss man ehrlich sagen, dass die Charaktere, die Atmsphäre, die Inszenierung und die Geschichte dafür verantwortlich sind. Hätte das Spiel nicht dieses erzählerische Rückrad, würde der ein oder andere Zocker den Controller gelangweilt aus der Hand legen.

Fazit:
Mafia 2 ist ein interaktiver Film, der vortäuscht, ein Open-World-Spiel zu sein, obwohl er als Schlauch konzipiert ist. Ganz ehrlich,...es fällt mir schwer, ein Urteil zu fällen. Auf der einen Seite ist im Sandkasten zu wenig Sand. Auf der anderen funktioniert das Spiel super, wenn man seine Scheuklappen trägt und nicht hinter die Kulissen schaut. Auf der einen Seite stimmen Story, Figuren, Atmosphäre und sogar Gameplay. Auf der Anderen ist der spielbare Bereich viel zu simpel und kommt ohne spielerischen Tiefgang daher. Würde ich das Spiel als interaktiven Film betrachten, gäbe es nur wenig zu meckern...Im Gegenteil, ich würde hier Wellen der Begeisterung schlagen, aber es ist kein interaktiven Film. Es ist ein Spiel, dessen einzelne Komponenten kaum spielerische Höhenflüge unternehmen oder gar Innovativität beweisen. Ich bin noch jetzt gefesselt vom Erlebten und das Schicksal von Vito weiss den Zocker durchaus mitzureißen aber warum all diese kleinen Macken und Ungereimtheiten? Warum stoßen so viele Dinge, so unnütz sauer auf. Ganz ehrlich...eigentlich müsste ich dem Spiel (als solches betrachtet) eine traurige 70%-Wertung verpassen aber genau das kann ich nicht tun. Es ist die Geniale Verpackung, die der ganzen Schose den Hintern aus dem Feuer zieht und dazu führt, dass Mafia 2 von einem mittelmäßigen 08/15 Spiel zu einem wahrhaften Erlebnis avanciert. Ein Erlebnis, dass von Anfang bis Ende Spaß macht und genau darum geht es doch im Grunde.

Wertung
Grafik: 85%
Sound: 90%
Gesamt:78%